Alles grau in grau, auch die Kleidung, um mit der öden Wüstenlandschaft eins zu werden, denn Farbe wird es in diesem Universum nicht mehr geben. Wie lange es noch dauern wird, bis die Welt so zerfällt, wie sie in Gary Numans Texten schon ist, kann niemand genau sagen, nur dass die Zukunft einen staubigen Schlussstrich zieht, wenn die globale Erwärmung nicht gestoppt wird.
„Savage“ ist dieser düstere Blick nach dem Geschehen, wenn alles zerstört ist und die Menschen sich untereinander nicht mehr vertrauen, denn jeder der wenigen Übergebliebenen will überleben und die letzten lebenswichtigen Ressourcen zum weiterleben für sich beanspruchen. Mit wasserstoffblonden Haaren und leerem Blick, wie die Kinder aus dem Dorf der Verdammten, trat Gray Numan mit The Tubeway Army 1979 ins Rampenlicht und sorgte mit „Are Friends Electric?“ für Neuartiges und Aufsehen. Seither ist er aus der Elektroszene nicht mehr wegzudenken. Auch 40 Jahre später noch überzeugt Gary Numan mit seiner Musik, wie das aktuelle Album „Savage“ beweist.
Dass der Herr aus Großbritannien auch mit hervorragenden Live-Shows punkten kann, ist bei seinen Fans bekannt und diese nehmen einige Kilometer Anreise auf sich, um bei dem Konzert in Köln dabei zu sein. Viel Terminauswahl gibt es nämlich nicht, neben der Domstadt steht nur noch die Hauptstadt auf dem Tourplan der Band.
Ein dunkler Strich aus Menschen zieht sich im Schneckentempo meterlang an der Straße bis zum Eingang der Essigfabrik. Aus der geduldigen Menschenmenge dröhnen immer wieder Numan-Rufe durch den kühlen Abendwind. Im Inneren der Halle löst sich die Warteschlange schnell auf und verteilt sich auf den freien Plätzen in den Reihen, sodass es zu Beginn des Konzerts gut gefüllt aussieht.
Gary Numan teilt sich den Abend mit Jayce Lewis, der für einen lautstarken Auftakt sorgt und nicht das erste Mal für Numan den Support macht. Mit drei Kollegen steht der Brite auf der Bühne in Köln, der Name Jayce Lewis ist kein Einzelfall im Musikgeschehen, denn der Musiker hat noch ein weiteres Projekt namens Protofield in Arbeit. Heute stellt er das Publikum in druckvollen 30 Minuten aus Elektronik und Rock vor die Frage, ob sie es mögen oder nicht. Wer die Musik von Jayce Lewis nicht kennt, dem könnte es schwerfallen, den donnernden Klängen zu erliegen. Denn so eingängig wie sich die aktuelle Single „Shields“ vorstellt, bleibt das Klangbild des Abends nicht.
Als sich die Essigfabrik ein zweites Mal verdunkelt, werden die Fans hibbelig und die Smartphones vermehrt in die Luft gehalten. Ein langes Intro steigert die Spannung, bis Gary Numan und seine Band auf der Bühne sichtbar sind. Wie auf dem Cover der neuen „Savage“ tragen alle das farblose Outfit und ein aufgemaltes weiß-leuchtendes Kreuz auf der Stirn.
Wummernde Klänge, epileptische Lichtblitze, beißende Gitarren und die unverkennbare Stimme von Gary Numan bringen die Fans mit dem Album- Opener „Ghost Nation“ sofort auf Temperatur. Nicht wie gedacht, dass das Konzeptalbum den ersten Teil des Abends füllt, fügt sich ein Song aus jungen Jahren an die zweite Stelle. Aber nicht nur „Metal“, sondern auch „Cars“ und „Down In The Park“ werden gewinnbringend an die forderen Plätze der Setlist gesetzt und sorgen für lockere Stimmung und tanzende Menschen. Dann werden die brachialen Instrumente wieder ausgepackt und die Elektronik ein wenig gedimmt.
Gary Numan agiert die meiste Zeit der 1,5-Stunden-Show tänzelnd, manchmal auch ekstatisch als Sänger am Mikrophon, dabei schaut er bewusst grimmig oder mit offenen Augen in die Leere. Aber das ist nur ein Teil seiner Performance, über den regen Applaus der Fans freut sich der Herr aus England mit einem Lächeln im Gesicht. Seine Instrumente, die Gitarre nimmt er selten in die Hand, den Synthie der für den typischen Numan-Sound verantwortlich ist, ebenfalls. Gleichermaßen sorgen die beiden Frontmusiker an Gitarre und Bass für randvolle Action auf der Bühne.
The good time flies so fast. Im Sinnestaumel der Numan-Musik unter dem Tourmotto „Savage ( Songs From A Broken World)“ ganz besonders, nicht nur bei dem Konzert. Denkt man mal darüber nach, ist das krönende Abschluss Stück „Are Friends Electric?“ wirklich schon 1979 erschienen?! Der beinahe 40 Jahre alte, unkaputtbare Song hat immer noch nicht an Glanz verloren und beglückt auch heute die Masse.
Während des Beifalls für den Super-Abend verschwindet die komplette Mannschaft außer Sichtweite. Es dauert nicht lange und die Musiker stehen für zwei kraftvolle Zugaben aus der Vergangenheit erneut im Scheinwerferlicht der Essigfabrik und ziehen nach über 90 Minuten, in denen die Welt völlig in Ordnung ist, den finalen Schlussstrich mit „A Prayer For The Unborn“.