Foto: Marco Sensche
Eine „Goldene Zukunft“ versprach Florian Sievers mit seinem allerersten Song als Das Paradies. Sievers ist allerdings kein Newcomer im Musikzirkus, er spielte vorher lange in der Indie-Folk-Band Talking To Turtles. Solo entfernt sich Sievers vom vorherigen Sound und gibt sich nun slackermäßig entspannt mit einem Hauch Tanzbarkeit. Nach der Erstlings-EP „Die Giraffe streckt sich“ aus dem April erscheint das Debütalbum von Das Paradies am 24. August. Über das Album, (Nicht-)Hits und das Schreiben von deutschen Texten gibt Das Paradies in unserem Interview Auskunft.
Soundmag: Du hast lange bei Talking To Turtles gespielt. Was brachte dich von der Band zum Soloprojekt?
Florian: Die Lieder auf dem Paradies-Album sind in der Band-Pause von Talking To Turtles entstanden. Ein Stolpern im Müßiggang sozusagen. Man fällt fast ins Schlagzeug, das reißt eine Gitarre um, die rutscht auf ein Keyboard und man hält sich gerade noch am Klavier fest. Und zufälligerweise steht ein Mikrofon im Raum und schneidet mit. So, oder so ähnlich ist es passiert.
Soundmag: Wie schwer (oder leicht) war der Switch von englischen zu deutschen Texten?
Florian: Schwer zu sagen. Das Gehirn neigt leicht zum Verklären. Da muss man aufpassen, sonst wird’s sehr schlimm. Aber es gab keinen Druck für die Texte, da ich nicht den Plan hatte, die Songs zu veröffentlichen. Das hat sich erst später ergeben.
Soundmag: Dein erster Song „Goldene Zukunft“ ist direkt ein kleiner Hit geworden. War das eine Bestätigung des eingeschlagenen Weges?
Florian: Ein Hit. Das hört sich gut an und hab‘ ich bisher nicht so empfunden. Das Lied wird von vielen Radio-Stationen gespielt, Leute kaufen Platten, streamen Lieder im Internet und kommen zu Konzerten. Das ist eine super Sache und freut mich natürlich. Aber ein „eingeschlagener Weg“ inklusive „Bestätigung“ ist Das Paradies für mich nicht. Das klingt so sehr nach Lücke füllen im tabellarischen Lebenslauf, oder empfohlener Umschulung vom Arbeitsamt: „Herr Paradies, wir haben da was für Sie. Sie könnten jetzt auf Deutsch singen. Machen sie doch mal einen Bewerbungssong fertig! Irgendwas mit „Zukunft“ vielleicht? Und dann schauen wir, wie es läuft, ja?“
Soundmag: Viele deutschsprachige Bands mit Aussage setzen gerade auf einen rauen Sound, wie Isolation Berlin oder Die Nerven. Bei dir klingt die Musik entspannt. Fehlt dadurch Dringlichkeit?
Florian: Das weiß ich nicht. Aber das neue Nerven-Album hab‘ ich gern gehört. Auch das Album der Band Swutscher fällt mir dabei ein. Das ist toll und vielleicht auch rau, wenn man so will. Beides scheint mir inhaltlich dringliche Musik zu sein. Rauer Klang ist eine musikalische Geste. Und dass Dringlichkeit erst durch den rauen Vortrag entsteht, klingt irgendwie zu einfach.
Soundmag: Ich finde, die Poesie deiner Texte bekommt man erst mit dem zweiten Hören vollständig mit – etwa bei „Die Giraffe streckt sich“, dem Titeltrack deiner EP, in dem du alltägliche Verrichtungen wie Essen oder Rauchen in neue Kontexte setzt.
Florian: Nein. Und ich habe so auch noch nicht darüber nachgedacht. Ich lese gerade, lakonisch bedeutet „kurz und ohne Umschweife“. Als Hörer finde ich das an Texten oft gut.
Soundmag: Bei der Zeile „Ich rauche, rauche, rauche, nur wenn ich schlafe nicht, keine Sucht, nur eine Weise, auf die meine Zeit zerbricht“ musste ich an „Codo (…düse im Sauseschritt)“ von DÖF denken. Ist die Neue Deutsche Welle, wo Poesie und Dada öfter nah beieinander lagen, etwas, woran du dich orientierst?
Florian: Zumindest nicht bewusst. Aber ich habe als Kind sehr viel Hitradio mitbekommen. Ich glaube, das gefiel mir meistens. Aber vielleicht hat sich in dieser Zeit auch das ein oder andere NDW-Trauma manifestiert.
Soundmag: Bei „Wann strahlst du?“, einem Coversong, wiederum ist der Weg zum Kitsch nicht weit, wenn es heißt: „Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen“. Vermeidest du Kitsch oder erlaubst du ihn dir auch, wenn es passt?
Florian: Vielleicht ist Kitsch relativ. Je nachdem … wer singt, sagt und schreibt – und vor allem wer hört – welches Wort oder Phrase, zu welcher Zeit an welchem Ort, in welchem Zusammenhang? Ich höre das Original von „Wann strahlst du“ immer wieder sehr gern.
Soundmag: Du warst der Support Act von Element Of Crime auf deren Tour. Ist Sven Regener ein Vorbild, gerade auch textlich?
Florian: Ich mag die Band und die Musik sehr und auch die Bücher von Sven Regener. Wer sich also bewusst für ein Vorbild entscheiden möchte, würde mit dieser Band sicher eine gute Wahl treffen.
Soundmag: Du spielst diesen Sommer auf einigen Festivals. Manche Künstler*innen lieben das, andere hassen es. Wie stehst du zu Festivals?
Florian: So starke Emotionen wie Liebe und Hass habe ich dazu nicht. Aber auf Festivals zu spielen, macht mir Spaß.
Soundmag: Du kommst aus Leipzig. Die Stadt wird ja schon länger als „neues Berlin“ gehandelt. Was geht wirklich dort?
Florian: Ich bin vor zehn Jahren nach Leipzig gezogen. Ein alteingesessener Leipziger Veranstalter hat in einem Interview zu dem „Neues Berlin“-Thema gemeint, diese Phasen des Berlin-Vergleichs hätte es seit Anfang der 90er schon mehrmals gegeben. Dementsprechend entspannt sei er der aktuellen Phase gegenüber eingestellt. Ich selbst bin hier nicht gerade auf den angesagtesten Pfaden unterwegs. Aber man hört, es geht Einiges.