- Release-Datum: 28.01.22
Label: Universal
Format: Album
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Es gibt ja Leute, die mögen nur das Frühwerk von Tocotronic, bis zum weißen Album. Andere starten genau dort und favorisieren die darauf folgenden Platten. Ein paar wenige finden tatsächlich beides gut.
Ich zähle zur ersten Gruppe. „Pure Vernunft darf niemals siegen“ war die letzte Platte der Band, die ich komplett gehört habe, und ließ mich enttäuscht zurück. Die folgenden Veröffentlichungen verfolgte ich nur noch durch die Single-Auskopplungen, die mich aber auch nicht animierten, mir mal wieder ein Toco-Album anzuhören. Das änderte sich bei den letzten beiden Alben, die mit „Prolog“ und „Electric Guitar“ jeweils einen der größten Songs der Gruppe als Auskopplung enthielten. Mir die dazugehörigen Alben anzuhören, dazu hat es mich trotzdem nicht gebracht. Aber nun liegt ja hier das neue zur Rezension vor und dem lausche ich gerne gespannt.
Doch da fühle ich mich dann recht schnell wieder nach 2005 zurückversetzt. Ähnlich groß ist die Enttäuschung über das Gehörte. Klar; mit „Jugend Ohne Gott…“ haben sie mit der ersten Vorab-Single ja schon eine solide Rockhymne geliefert, die das neue „Aber hier Leben…“ werden könnte. Aber braucht das jemand? Neben für die Band mittlerweile typischen Landschaftsbetrachtungen, die sehr poetisch wirken sollen, dann aber doch am Grundschulniveau der Reime scheitern (Schlechtestes Beispiel: die Reime auf „Chance“ in „Ich hasse es hier“, einem Liebeslied in dem es hauptsächlich um Tiefkühlpizza geht und das auch gut ins Oeuvre der frühen Die Ärzte pahahahahahahahahassen könnte), gibt es auch Fantasiegeschichten oder Selbstreflektion.
Hier wird es dann auch am interessantesten auf der Platte. Zum einen bei der Selbstmordfantasie „Crash“, die von einer tragisch schönen Johnny-Marr-Gitarre getragen wird; oder „Ich gehe unter“, das den Grund für die Produktion dieses Albums wohl bestens zusammenfasst: „Das ist ein Hilfeschrei – Wir sind noch nicht vorbei.“ Denn was bringt eine Band, die so ziemlich alles erreicht, aber nichts mehr zu sagen hat, dazu, immer wieder weitere Alben aufzunehmen? Geld? Selbstbestätigung? Sie können ja nichts anderes? Diese Frage wird auch hier nicht beantwortet. Spaß kann das Schreiben der Songs sicher keinem gemacht haben, das klingt eher nach ernster Arbeit.
Da bleibt letztendlich die Frage: War das, was ich auf der weißen Platte noch als Ironie wahrgenommen habe, damals schon affektiert und peinlich? Oder sind sie da noch gut in eine neue Richtung gestartet, über ihre eigenen Füße gestolpert und haben sich in sich selbst verfangen?
Für mich sind sie auf jeden Fall falsch abgebogen und scheinen sich immer weiter zu entfernen.
Tracklisting
- Nie wieder Krieg
- Komm mit in meine freie Welt
- Jugend ohne Gott gegen Faschismus
- Ich gehe unter
- Ich tauche auf
- Ich hasse es hier
- Nachtflug
- Ein Monster am Morgen
- Crash
- Hoffnung
- Leicht lädiert
- Liebe